Trainieren wie ein Profi-Bodybuilder für Muskeln wie ein Profi-Bodybuilder? Aus diesen Gründen ist der 5er-Split von Mr. Olympia für dich völliger Schwachsinn!

Krafttraining und Bodybuilding hat in den letzten Jahren einen großen Aufschwung erfahren. Viele Neueinsteiger wollen Muskeln wie Mr. Olympia, oder einen ästhetischen Körper wie die Athleten in der Physique-Klasse. Trainingspläne findet man überall. Im Internet, in Fitnesszeitschriften, oder man fragt nach dem Trainingsplan vom 100kg-Muskelpaket im eigenen Studio. Je ausgefallener der Plan, desto besser. Ein hoher Split muss es sein, ein 3er-, 4er oder gleich ein 5er-Split. Am besten mit vielen verschiedenen Übungen für jede Muskelgruppe. Die Brust muss geplättet werden damit sie wächst, je mehr Übungen desto besser. Muskelversagen ist sowieso Pflicht, sonst bleibt der heiß ersehnte Muskelkater aus. Dazu macht noch viele Intensitätstechniken, wie Negativwiederholungen, erzwungene Wiederholungen oder Drop Sets. Die Profis machen es ja genauso, also muss es bei euch ja auch funktionieren, richtig? Falsch! Und zwar absolut falsch!

Der Schein trügt

Jetzt könnte man vielleicht meinen, wenn Bodybuilder XY mit seinem 5er-Split so viel Muskulatur aufgebaut hat, kann sein Plan ja nicht so schlecht sein. Was leider viele immer noch nicht wahr haben wollen: Diese Bodybuilder beschleunigen ihren Muskelaufbau durch die Einnahme von anabolen Steroiden. Dies soll jetzt kein Artikel zur Aufklärung über Steroide sein, trotzdem muss so manchem Hobbysportler wohl noch die Augen geöffnet werden. Kein einziger Bodybuilder, der bei Mr. Olympia oder ähnlichen Wettkämpfen antritt, hat seine Muskelmassen ohne Steroide aufgebaut. Und auch in der Physique-Klasse stehen wohl nicht mehr viele naturale Athleten auf der Bühne, geschweige denn auf dem Podest. Die Dunkelziffer von gedopten Hobbysportlern ist zur Zeit auch erschreckend hoch. Ich möchte jetzt keineswegs alle in einen Topf werfen, aber man sollte als Anfänger vorsichtig sein, von wem man sich die Trainingsmethoden abschaut. Denn für Steroidbodybuilder gelten ganz andere Regeln, als für den naturalen Sportler.

Back to the basics

Damit ich meinen Behauptungen auch ein wenig Gewicht verleihe, werde ich euch jetzt die Grundregeln zur Trainingsplanung erläutern. Daraus lässt sich automatisch auf einen für Anfänger passenden Trainingsplan schließen. Zuvor ist es vielleicht noch nötig, zu diskutieren, wie lange man ein „Anfänger“ ist. Viele definieren die Phase des Anfängers auf 12-18 Monate. Danach zählt der Trainierende dann als Fortgeschrittener. Dies setzt aber voraus, dass in dieser Zeit regelmäßig und sinnvoll trainiert wird, was leider oft nicht der Fall ist. Treffender finde ich die Einteilung nach den Kraftstandards, zu finden unter anderem auf www.fitness-experts.de. Demnach zählt man als Fortgeschrittener, sobald man Kniebeugen mit dem 1,5-fachen, Kreuzheben mit dem 1,8-fachen, Bankdrücken mit dem 1,1-fachen und stehendes Schulterdrücken mit dem 0,8-fachen seines Körpergewichtes 1x ausführen kann. Ein 80kg schwerer Athlet müsste demnach 120kg Kniebeugen, 144kg Kreuzheben, 88kg Bankdrücken und 64kg Schulterdrücken können um als Fortgeschrittener zu zählen. Liegt einer dieser Werte darunter ist man noch Anfänger. Manche kommen in ihrer Trainingskarriere gar nie über das Level eines Anfängers hinaus. Und in dem Fall reichen die Basics, die im Folgenden beschrieben werden, absolut aus und man braucht sich keine Gedanken über Profi-Trainingspläne machen.

Die Trainingsprinzipien

Beginnen wir bei der Basis jeglicher Trainingsplanung, bei den Trainingsprinzipien. Gelernt habe ich diese zum ersten mal vor 12 Jahren im ersten Jahr im Sport-BORG Jennersdorf, danach beim Sportstudium an der KF Uni Graz, und später auch bei verschiedenen Aubildungen auf den österreichischen Sportakademien in Graz, Linz und Wien. Und bis heute hat sich an diesen Prinzipien nichts geändert, also muss wohl etwas Wahres dran sein.
Ich werde jetzt nicht jedes einzelne detailliert beschreiben, möchte aber auf die wichtigsten im Zusammenhang mit der Erstellung eines Krafttrainingsplans eingehen.

Das erste Prinzip, das ich erklären möchte, ist das Prinzip der individualisierten Belastung. Kurz gesagt besagt es, dass die Belastung auf die individuellen Ziele, die Leistungsfähigkeit, das Alter, das Geschlecht und die körperlichen Voraussetzungen angepasst werden soll. Bist du also ein ohne illegale Hilfsmittel trainierender Anfänger, dann trainiere nicht wie ein Profi auf Steroiden.

Das zweite wichtige Prinzip, ist das Prinzip des trainingswirksamen Reizes. Damit ein Training zu einer Leistungssteigerung führt, muss ein Reiz gesetzt werden der dem Leistungszustand entspricht.

Quelle: Skriptum zur allgemeinen Trainingslehre (Bundessportakademie Linz)

 

Hebt ein Anfänger eine leere Plastikflasche hoch, ist das ein unterschwelliger bzw. abbauender Reiz. 3 Serien mit einem relativ leichten, kaum fordernden Gewicht, können auf einen Anfänger schon erhaltend wirken. 3 Serien mit 70% des maximal möglichen Gewichts mit dem man knapp an seine Grenzen geht (noch nicht bis zum Muskelversagen) wirken schon entwickelnd. Und welchen Effekt 5 Übungen zu 3 Serien bis zum Muskelversagen inklusive Intensitätstechniken auf einen Anfänger haben, könnt ihr euch jetzt selbst zusammenreimen.

Damit es langfristig zu Anpassungen kommt und aus einem entwickelnden Reiz nicht nach einer Leistungssteigerung ein erhaltender Reiz wird, gilt es, das Prinzip der progressiven Belastungssteigerung zu beachten. Dieses besagt, dass es für weitere Leistungssteigerungen nötig ist, die Häufigkeit, den Umfang und die Intensität des Trainings zu steigern. Um die Häufigkeit zu erhöhen trainiert man statt 2x dann 3x pro Woche. Um den Umfang zu erhöhen kann man von 3 Sätzen auf 4 Sätze erhöhen, oder man geht näher Richtung Muskelversagen um den Umfang der einzelnen Serie zu steigern. Um die Intensität zu erhöhen, wird von Zeit zu Zeit mehr Gewicht verwendet. Preisfrage: Wie kann ich diesem Prinzip langfristig folgen, wenn ich mit 5 Übungen zu 3 Serien mit jeweils 3 Drop Sets mit meinem Training beginne? Mache ich dann nach 2 Jahren 15 Übungen zu 10 Serien mit 100 Drop Sets?!

Zuletzt möchte ich noch auf das Prinzip der optimalen Relation von Belastung und Erholung bzw. das Prinzip der Superkompensation eingehen. Nach dem Trainingsreiz sinkt die Leistungsfähigkeit des trainierten Muskels vorübergehend. In der Pause zwischen den Trainingseinheiten erholt sich der Muskel wieder, und bei einer adäquaten Reizsetzung (wir erinnern uns an das Prinzip des trainingswirksamen Reizes) regeneriert der Muskel sogar noch über das vorherige Leistungsniveau hinaus (=Superkompensation).

Prinzip der Superkompensation (Quelle: :www.marathon-fitness.de)

Ziel sollte nun sein, das nächste Training für die gleiche Muskelgruppe genau am Höhepunkt der Superkompensation zu setzen. Die Zeit, die dafür benötigt wird, variiert je nach Art, Intensität, und Umfang der Belastung und je nach Trainingszustand des Athleten. In unserem Fall geht es um ein Krafttraining für Anfänger mit möglichst adäquater Reizsetzung (also nicht 5 Übungen zu 3 Serien bis zum Muskelversagen inklusive Intensitätstechniken). Sowohl Boeckh Behrens und Buskies (2005), Grosser, Starischka und Zimmermann (2008), Pauls (2014), als auch Hottenrott und Neumann (2014) empfehlen in ihren Büchern zum Thema Krafttraining 48 Stunden Pause nach einem Hypertrophietraining. In einer Metaanalyse von Rhea et al. (2003), die 140 Studien zusammenfasste, stellte sich heraus, dass 3 Trainings pro Woche für Anfänger das Optimum darstellen.
Trainieren wir also jeden Muskel alle 48 Stunden, was in etwas 3x pro Woche entspricht, kommt es zu einer langfristigen Progression.

Ersteller: Timo Hahner, Maria Lang, Sven Faltin | Quelle: Sportklinik Hellersen, GEIGER 1992

 

Wenn zwischen den Trainingseinheiten zu lange Pausen eingelegt werden, kommt es langfristig gesehen zu einem geringeren Leistungszuwachs, oder eben zur Stagnation.

Ersteller: Timo Hahner, Maria Lang, Sven Faltin | Quelle: Sportklinik Hellersen, GEIGER 1992

 

Trainiert man also nach einem hohen Split, bei dem jeder Muskel nur 1x pro Woche belastet wird, sind die Leistungszuwächse langfristig geringer als bei mehrmaligem Training pro Woche. Nimmt ein Bodybuilder anabole Steroide zu sich, ändert sich der Verlauf dieser Kurven. Den Prozess, in dem aus Nahrungsprotein Muskulatur gebildet wird, nennt man Muskelproteinsynthese. Beim gesunden Menschen bleibt dieser Prozess nach einer Trainingsbelastung für etwa 48 Stunden erhöht. Durch die Einnahme anaboler Steroide ändert sich das hormonelle Milieu im Körper und die Muskelproteinsynthese kann nach einem Trainingsreiz deutlich länger erhöht bleiben. In so einem Fall reicht es also aus, 1x pro Woche einen sehr starken Reiz zu setzen und den trainierten Muskel dann eine Woche lang wachsen zu lassen (Fleck und Kraemer, 2014).

Auf weitere Prinzipien werde ich an dieser Stelle nicht eingehen, da diese vergleichsweise weniger Bedeutung für Anfänger haben.

Fazit

Wie ihr gesehen habt, widerspricht der klassische Trainingsplan eines Profi-Bodybuilders, der leider auch viel zu oft von Anfängern in Studios ausgeführt wird, jedem einzelnen vorhin vorgestellten Trainingsprinzip. An dieser Stelle könnte aber natürlich auch das Gegenargument kommen: „Aber das ist ja nur reine Theorie! In der Praxis sieht man doch, dass diese Pläne besser funktionieren!“

Dazu möchte ich jetzt noch Stellung nehmen:

  1. Wie schon mehrmals erwähnt: Steroide! Bei vielen Profis ist es offensichtlich und bekannt, dass gedopt wird. Und bestimmt hilft auch der ein oder andere von dem man es nicht glaubt mit ein paar illegalen Substanzen nach.
  2. Bei Anfängern funktioniert so gut wie jeder Trainingsplan um Muskeln aufzubauen, das nennt man die „Noob Gains“. Also natürlich könnt ihr auch mit so einem Plan Erfolge erzielen, nur langfristig ist es alles andere als ideal.
  3. Woher kommt denn diese Theorie? Da hat sich nicht jemand mit Blatt und Papier hingesetzt und aufgeschrieben was ihm gerade in den Sinn gekommen ist. Diese Trainingsprinzipien ergeben sich aus jahrelanger Analyse von einer Vielzahl an Studien mit unzähligen Probanden. Daraus wurden dann Trainingsprinzipien erstellt, die beim durchschnittlichen Menschen am besten zu Leistungssteigerung führen. Jeder weicht ein wenig von der Norm ab, und es gibt auch Ausreißer, bei denen wirklich ganz andere Trainingsmethoden am besten wirken. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass du zu den Ausreißern gehörst, ist vergleichsweise gering.
  4. Wo doch schon die Praxis angesprochen wurde: Sehen wir uns mal die richtigen Kraftsportler an, die Kraftdreikämpfer und olympischen Gewichtheber. Dort würde keiner auf die Idee kommen, diese Prinzipien anzuzweifeln und nach einem Bodybuilding-Trainingsplan zu trainieren. Und die Muskelmassen, die von diesen Sportlern natural aufgebaut werden, sind sehr beeindruckend. Auf die Kraftleistungen brauch ich gar nicht erst näher eingehen. Die sind klarerweise um ein Vielfaches höher als die von Bodybuildern. Natürlich gibt es auch hier schwarze Schafe, die Dopingmittel verwenden. Aber aufgrund der vielen Kontrollen ist die Anzahl vergleichsweise gering.
  5. Zuletzt muss noch gesagt werden, dass es natürlich auch Menschen gibt, die mit einem 5er-Split und einmaligem Training pro Woche für jede Muskelgruppe beeindruckende Muskulatur aufbauen können, auch ohne Steroide zu konsumieren. Wie schon erwähnt gibt es auch Menschen, die von der Norm abweichen. Aber keiner weiß, wie diese Athleten ausschauen würden, wenn sie nach den vorhin beschriebenen Trainingsprinzipien trainiert hätten. Vielleicht hätten sie damit ja noch größere Fortschritte erzielen können.

Nun sollte euch hoffentlich klar sein, dass nicht alles was man in Fitnesszeitschriften liest für Hobbysportler geeignet ist. Und auch wenn man trainiert wie ein Profi, heißt das noch lange nicht, dass man dann auch wie ein Profi aussieht.

Quellen

  • Boeckh-Behrens, W. U., & Buskies, W. (2005). Fitness-Krafttraining. Die besten Übungen und Methoden für Sport und Gesundheit (9. Auflage). Reinbek: Rowohlt.
  • Grosser, M., Starischka, S., & Zimmermann, E. (2008). Das neue Konditionstraining. München: BLV-Buchverlag GmbH & Co. KG.
  • Hottenrott, K., & Neumann, G. (2014).  Ein Lehrbuch in 14 Lektionen(2. überarbeitete Auflage). Aachen: Meyer & Meyer Verlag.
  • Pauls, J. (2014). Das große Buch vom Krafttraining (2. überarbeitete Neuauflage). München: Stiebner Verlag GmbH.
  • Rhea, M. R., Alvar, B. A., Burkett, L. N., & Ball, S. D. (2003). A meta-analysis to determine the dose response for strength development. Medicine and science in sports and exercise35(3), 456-464.
  • Fleck, S. J., & Kraemer, W. (2014). Designing Resistance Training Programs (fourth edition). Champaign: Human Kinetics.